Welche Chancen hat die Automobilbranche?

Kaum ein anderer Sektor bildet so sehr die Brücke zwischen Zukunft und Vergangenheit und ist dabei gleichzeitig so polarisierend wie die Automobilbranche. Fahrzeuge bestimmen unser Leben und unseren Alltag, egal ob wir dabei öffentliche Verkehrsmittel nutzen oder das eigene Auto. Kritiker bemängeln Lärm, Umweltverschmutzung und eine nicht mehr zeitgemäße Infrastruktur in den Innenstädten. Liebhaber argumentieren mit dem Gefühl von Freiheit, Unabhängigkeit und natürlich nicht zuletzt der Freude am Fahren im Allgemeinen.

Auch ich zähle mich zu den Auto Liebhabern. Ich liebe das Gefühl, in einem schönen Fahrzeug das Lenkrad in der Hand zu halten und durch die Straßen zu navigieren. Das hat für mich nichts mit irgendwelchen Status Spinnereien zu tun, sondern ist tatsächlich pure Lebensfreude. Dass das Auto jedoch in der Form, wie wir es in den letzten 100 Jahren kennen gelernt haben, so nicht mehr in die heutige Zeit passt, sollte uns aber allen klar sein. Grund genug für uns, einmal einen Blick auf die Automobilbranche der Zukunft zu werfen. Welche Chancen gibt es? Welche Herausforderungen sehen wir?

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Wandel der Automobilbranche

Die Ökonomie verändert sich in der heutigen Zeit rasant. Der Verkehrssektor und explizit die Automobilbranche gehören dabei zu den Zweigen, die womöglich mit am stärksten von diesem Fakt betroffen sind. Die Art und Weise, wie wir uns fortbewegen, wird sich gerade in den Innenstädten in den kommenden Jahrzehnten mit hoher Wahrscheinlichkeit drastisch verändern. Ein treibender Faktor war auch in diesem Fall, wie schon in den Branchenanalysen der Vormonate, das Coronavirus. Die permanenten Lockdowns haben zahlreiche Unternehmen zum Umdenken gezwungen. War das Homeoffice vor drei Jahren für viele Arbeitgeber noch ein rotes Tuch, so genießt es heutzutage eine ganz andere Selbstverständlichkeit. 

Hinzu kommt natürlich ein permanent wachsendes Bewusstsein für unsere Umwelt. Es werden also unterm Strich nicht nur weniger Fahrzeuge benötigt, da sich zahlreiche Menschen den Weg zur Arbeit mittlerweile komplett sparen können, es werden in Zukunft auch ganz andere Ansprüche an unsere Autos gestellt. Sauber und möglichst energiesparend sollten sie sein. Wer vor einigen Jahren noch laut röhrend mit seinem Lamborghini über den Jungfernstieg in Hamburg gefahren ist, durfte sich zu dieser Zeit eventuell noch über den ein oder anderen neidischen Blick freuen. Heutzutage dürften die Menschen für diese Art Fahrer nur noch bedeutend weniger Verständnis übrig haben als zuvor.

Neue Technologien und Nachhaltigkeits Faktoren verändern das Bedürfnis und die Anforderungen der Konsumenten an Fahrzeuge dauerhaft. Die Experten von McKinsey sehen aus diesem Grund 4 zukunftsweisende Technologien im Automobilsektor: diversifizierte Mobilität, autonomes Fahren, Elektrifizierung und Konnektivität. Da sich diese vier Faktoren gegenseitig beeinflussen und beflügeln, sind revolutionäre Veränderungen im Automobilsektor zu erwarten.

 

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Wachstum der Automobilbranche

Für das Wachstum in der Automobilbranche sehen wir in den kommenden Jahren zwei wesentliche Hauptfaktoren:

 

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die ständig wachsende Nachfrage in den Emerging Markets sowie einen komplett neuen Umsatz Pool im Bereich neuer Services wie Shared Mobility und Konnektivität. Was genau meine ich damit? Für uns Deutsche ist es fast schon eine Selbstverständlichkeit, dass unser Auto uns gehört und auch nur für unsere Nutzung gedacht ist. Dies wird sich in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit ändern. Wenn Du in einer Großstadt lebst, hast Du sicherlich selbst schon Kontakt mit dem Carsharing Prinzip gemacht. Überall in der Stadt verteilt stehen Kleinwagen herum, die Du Dir mit einer praktischen App buchen und sie innerhalb der Stadtgrenzen uneingeschränkt nutzen kannst. Zahlen tust Du dann schließlich nur für den Nutzungszeitraum.

Ein anderer aufkommender Trend ist das sogenannte E-Hailing. In Hamburg und Berlin fahren überall Fahrzeuge des Unternehmens Moia durch die Gegend. Hierbei handelt es sich um eine neuartige Form des Taxis. Kleinbusse, die von einem Fahrer des Anbieters gesteuert werden, fahren durch die Stadt und sammeln nacheinander Menschen ein, die sich über ihr Smartphone eine Fahrt gebucht haben. Ein intelligenter Algorithmus berechnet nun die ideale Route, um sämtliche Fahrgäste möglichst effizient und schnell an ihr gewünschtes Ziel zu bringen. Das ist nicht nur deutlich kostengünstiger als eine konventionelle Taxifahrt, es spart auch eine Menge Energie.

 

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Der zweite Faktor, den ich gerade angesprochen habe, ist die Konnektivität. Mittlerweile ist es fast schon selbstverständlich für uns, dass unser Fahrzeug mit dem Internet verbunden ist. Wir hören Internetradio über Spotify, sind mit Google Maps verbunden und können Staus umfahren und wir können Siri direkt im Auto nach den aktuellen Fußballergebnissen fragen. Hier öffnet sich für Automobilhersteller selbstverständlich ein völlig neuer Markt. Neuartige Apps, Remote Services und Software Updates spülen zusätzliches Geld in die Kassen der Autokonzerne.

Laut einer McKinsey Studie wird der Automobilsektor von 3.500 Milliarden Dollar Größe im Jahr 2015 auf bis zu 5.200 Milliarden Dollar im Jahr 2030 anwachsen. Hinzu kommt ein zusätzlicher Umsatz von 1.500 Milliarden Dollar im Bereich der Shared Mobility und Datenkonnektivität. Das entspricht einem CAGR von 4,2%. Das ist nicht so beeindruckend wie die Branchen, die wir uns zuletzt angesehen haben, aber es handelt sich schließlich auch um einen alteingesessenen und hoch angesehenen Sektor und keine neuartige Wachstumsbranche. 

Wiederkehrende Einnahmen aus neuen Dienstleistungen

  • Shared Mobility – zB Carsharing, E-Hailing
  • Datenkonnektivitätsdienste – einschließlich Apps, Remote-Services, Software-Upgrades

Verbrauchermarkt

  •  Wachstum durch gestiegene Fahrzeugverkäufe

Einmaliger Fahrzeugverkauf

  • Jährliche Steigerung von ca. 2 %, angetrieben von makroökonomisches Wachstum in Schwellenländer

Neben dem Trend zur Shared Mobility und weiteren zukunftsweisenden Technologien, wird auch der eigentliche Autoverkauf weiter wachsen, erwartet wird hier allerdings eine deutlich geringere Rate von 2% pro Jahr.

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Die Revolution durch autonomes Fahren

Eine der wohl spannendsten Technologien, die uns im Automobilsektor in den kommenden Jahren bevorstehen wird, ist das autonome Fahren. Die Technologie mag sich hier etwas langsamer entwickeln, als wir es seit Jahren aus lauten Medien Kommentaren gewohnt sind, doch Fakt ist – sie schreitet Jahr für Jahr weiter voran. Im Jahr 2030 wird erwartet, dass bis zu 15% aller neu verkauften Fahrzeuge vollständig autonom fahren können. 

Sogenannte Advanced Driver Assistance Systems, kurz ADAS, sind bereits jetzt nahezu Standard in jedem gehobenen Mittelklassewagen. Intelligente Spurhalteassistenz, automatische Abstandhaltesysteme sowie die Erkennung von sich auf die Straße bewegenden Objekten und Personen sollen die Sicherheit auf den Straßen maßgeblich verbessern und tun dies auch bereits. Auch in diesem Bereich eröffnet sich für die Automobilhersteller natürlich ein komplett neuer Markt an potentiellen Einkommensströmen. 

Bis wir uns vollständig über autonome Fahrzeuge freuen dürfen und diesen vor allem auch unser Leben anvertrauen, dauert es sicherlich noch eine Weile. Dass diese Technologie aber in Zukunft eine große Rolle in unserem Alltag einnehmen wird, ist fast schon sicher. 

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Die Bedeutung der Elektrifizierung in der Fahrzeugbranche

An den Gedanken, dass elektrisch betriebene Fahrzeuge die Verbrennermotoren in den kommenden Jahren vollständig ablösen werden, haben wir uns mittlerweile sicherlich alle gewöhnt. Auch wenn hierzulande die Abdeckung mit verfügbaren Ladesäulen nach wie vor viel zu spärlich ist, geht die Entwicklung rasant Richtung Elektroantrieb und ist in diesem Bereich auch nicht mehr aufzuhalten, was grundsätzlich gut ist.

Selbstverständlich bringt dies für die Branche aber auch einige Probleme und Herausforderungen mit sich, auch wenn die Auswirkungen auf die Umwelt auf lange Sicht sicherlich durchweg positiv sein werden. Zunächst einmal sehe ich Probleme, elektrische Fahrzeuge wirklich global flächendeckend zu verbreiten und natürlich auch die Infrastruktur dafür zu schaffen. Dies wird vielleicht in den westlichen Industrienationen und weiten Teilen Asiens möglich sein, in wirtschaftlich weniger entwickelten Ländern wird dies aber sicherlich problematischer.

Ein weiterer Faktor, den man als potenzieller Investor beachten muss, sind immer neue Fahrzeugmarken, die seit den letzten Jahren vermehrt auf den Markt strömen. Das ist natürlich ein Phänomen, welches für uns als Endkonsumenten und Autofahrer durchweg positiv ist, denn gerade aus dem ostasiatischen Bereich kommen hier sehr interessante neue Fahrzeugmodelle und Innovationen auf den Markt, die bereits jetzt mit unseren heimischen Marken konkurrieren können. Für die etablierten Konzerne bedeutet dies aber natürlich einen immensen Konkurrenzdruck, sowohl was die technologische Entwicklung angeht, als auch was letzten Endes ihren Anteil am Gesamtmarkt betrifft.

Bitte nicht falsch verstehen – Konkurrenzdruck ist grundsätzlich natürlich eine gute Sache, gerade wenn es um das Streben nach technologischem Fortschritt geht, aus der Sicht eines Investors kann dieser für etablierte Aktiengesellschaften aber durchaus ein Problem darstellen.

Der letzte kritische Faktor ist die Gewinnung des Stroms an sich. Hierüber wurde in den letzten Jahren sicherlich genügend debattiert und berichtet. Schon jetzt reichen erneuerbare Energien bei weitem nicht aus, um auch nur unseren aktuellen Strombedarf zu decken. Wenn nun noch flächendeckend der Verbrennermotor durch elektrische Antriebe ersetzt werden wird, stellt sich selbstverständlich nach wie vor die Frage, wo der ganze Strom herkommen soll. Dass wir uns hier auf Russland als Partner nicht verlassen können und sollten, ist sicherlich klar. Auch die Atomstrom Debatte möchte ich an dieser Stelle nicht eröffnen. Fakt ist aber, dass die Politik gefordert ist und für einen rasanten Ausbau erneuerbarer Energiequellen sorgen sollte. Die Frage, ob dies in diesem Umfang überhaupt geschehen kann und wird, lasse ich einmal offen.

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Aktiengesellschaften und ETFs in der Automobilbranche

Ich denke, ich kann es mir an dieser Stelle sparen, Beispiele für große Automobilkonzerne, die potentielle Investments darstellen, zu nennen. Unsere deutsche Autoindustrie ist nach wie vor stark und Unternehmen wie Mercedes-Benz, BMW und Volkswagen sind für eine langfristige Geldanlage eine interessante Wahl.

Doch auch in der Welt der ETFs gibt es jede Menge Auswahl an potentiellen Automobil Sektor Fonds. Der aktuell größte, in Deutschland handelbare ETF ist der iShares Electric Vehicles and Driving Technology. Er verfügt aktuell über ein Fonds Volumen von 675 Millionen Euro. Wie der Name schon sagt, investiert er vornehmlich in Unternehmen, die im Bereich der Elektrofahrzeuge innovativ tätig sind. Insgesamt hält der Fonds 103 verschiedene Aktiengesellschaften, wovon das in Thailand sitzende Unternehmen Delta Electronics den größten Anteil mit 2,44% ausmacht. Mit 43,98% macht Nordamerika den größten Anteil im ETF aus, gefolgt von Asien mit 35,38%.

Eine Alternative, die sogar über eine ESG Nachhaltigkeitszertifizierung verfügt, wäre der Lyxor MSCI Future Mobility ESG Filtered. Es handelt sich noch um einen sehr jungen ETF, der im Mai 2020 aufgesetzt wurde. Er hält aktuell 76 verschiedene Positionen, wovon Uber mit 7,17% die größte darstellt. Auch dieser Fonds ist vornehmlich in Nordamerika investiert und hält hier 56,41% der Positionen, gefolgt von Asien mit 27,67%.

Der Trend der ETF Investments im Automobilsektor orientiert sich also ganz klar Richtung USA und Ostasien. Unsere deutschen Traditionsmarken seien an dieser Stelle also gewarnt. Für ein Investment in diese muss der Anleger in jedem Fall zu den Einzelaktien greifen.