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Der Vormarsch der E-Commerce Branche und das Aussterben des Einzelhandels

Schon lange vor Corona konnten wir in deutschen Innenstädten einen ganz klaren Trend ausmachen: Immer mehr Leerstände und ausbleibende Kunden. Während Hamburg, Berlin und München das übliche Bild vielleicht noch durch ihre Touristenströme aufrechterhalten können, wird in mittelgroßen Städten wie Braunschweig, Giessen oder Neubrandenburg das ganze Ausmaß der Entwicklung besonders deutlich. Doch geben wir jetzt wirklich weniger Geld für Konsumgüter aus? Selbstverständlich nicht! Im Gegenteil, durch die immer mächtiger werdende E-Commerce Branche und die Möglichkeit, mit nur wenigen Klicks Zugriff auf quasi sämtliche Güter der Welt zu haben, tendieren die Menschen mehr denn je zum konsumieren. Ob und wie sich das auf unser allgemeines Glück auswirkt, wollen wir an dieser Stelle einmal dahingestellt sein lassen. Stattdessen wollen wir uns in diesem Monat auf die Branche konzentrieren, die den Innenstädten nun seit vielen Jahren immer mehr den Rang abläuft: die E-Commerce Branche.

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Wachstum in der E-Commerce Branche

Laut den Daten von statista.com hatte die E-Commerce Branche im Geschäftsjahr 2021 einen Gesamtumsatz von 4.938 Milliarden US-Dollar zu verzeichnen. Um das einmal ins richtige Verhältnis zu setzen: Wir sprechen hier von etwa dem Zehnfachen an Umsatz im Verhältnis zu der Halbleiter Branche, die wir in letzten Monat ausführlich analysiert hatten. Analysten erwarten ein Wachstum auf knapp siebeneinhalb tausend Milliarden Dollar Umsatz im Jahr 2025. Das entspricht einem CAGR, also einem jährlichen Wachstum, von 10,61 %.

Aktuell nutzen laut Statista 64 % der gesamten Weltbevölkerung das Internet beziehungsweise haben einen Internetzugang. Auch hier sehen wir natürlich noch sehr viel Potenzial nach oben, denn bei den verbleibenden 36 % handelt es sich immerhin um 2,8 Milliarden Menschen. Die meisten Internetnutzer hat mittlerweile Asien zu verzeichnen. Allein in China waren es im Jahr 2020 903 Millionen Menschen.

Auch die immer schneller werdenden Datengeschwindigkeiten und die Verbesserung der Mobilfunkstandards von 4G auf 5G und in nicht allzu ferner Zukunft 6G haben die Nutzerfreundlichkeit des Internets drastisch verbessert und zum durchschlagenden Erfolg der E-Commerce Branche beigetragen. Wesentlicher Treiber des zukünftigen Wachstums der Branche ist die ständig zunehmende Anzahl an Smartphone Usern. Vor ein paar Jahren war es noch undenkbar, mit unserem Handy auf der Couch zu sitzen und nebenbei mit ein paar Swipes und Klicks unsere Einkäufe zu erledigen oder ein bisschen zu shoppen – heute absoluter Standard.

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Perspektiven der E-Commerce Branche

Kleine und mittelgroße Unternehmen hatten in den vergangenen Jahren besonders hohe Wachstumsraten zu verzeichnen. Gerade in Indien, Südafrika und Russland wuchsen diese mit einer überdurchschnittlichen Geschwindigkeit. Wie sich das zukünftige Wachstum bei letzterem Land entwickeln wird, lässt sich natürlich in Anbetracht der aktuellen, traurigen Gesamtsituation nur sehr schwierig beurteilen. Was Indien angeht, so haben hier viele, teils staatlich geförderte Initiativen dafür gesorgt, das kleine Unternehmen sich mit rasanter Geschwindigkeit entwickeln können. Doch auch großen und etablierten Konzernen ist es durch die Nutzung von E-Commerce möglich, ihre Kunden näher und direkter anzusprechen.

Nicht zuletzt haben sie natürlich auch die Möglichkeit, so gut wie jeden unserer Schritte nachzuvollziehen, zu analysieren und auszuwerten. Daher ist es für die Unternehmen ein Leichtes, uns noch gezieltere Angebote und Werbungen zu unterbreiten, was im Umkehrschluss natürlich unsererseits zu noch mehr Konsum führt. Immer ausgereiftere und zielgerichtetere Analysetools von Unternehmen wie Google, Facebook oder Amazon tragen hier natürlich ebenfalls positiv zu bei.

Ein weiterer treibender Punkt ist selbstverständlich die Covid Pandemie. Aufgrund der zahlreichen kleineren und größeren Lockdowns waren viele von uns quasi dazu gezwungen, auf Online-Bestellungen umzusteigen, anstatt sich auf den Weg in die Stadt zu machen. Viele potenzielle Kunden, die dem Einkauf im Internet vorher womöglich ferngeblieben sind oder diesem skeptisch gegenüber standen, haben sich mittlerweile an die Einfachheit und Unkompliziertheit des Online Shoppings gewöhnt und wissen dieses mittlerweile zu schätzen.

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Business Typen im E-Commerce

B2B und B2C

In der E-Commerce Branche unterscheidet man grob zwischen zwei verschiedenen Typen: dem Business-to-Business, kurz B2B, und dem Business-to-Customer, kurz B2C. Business-to-Business spielt dabei zum aktuellen Zeitpunkt mit etwa zwei Drittel Marktanteil eine deutlich wichtigere Rolle als Business-to-Customer. Es handelt sich hierbei um sämtliche Transaktionen, die zwischen Unternehmen stattfinden. Beim B2C handelt es sich entsprechend um Endkundenhandel.

Die Analysten von grandviewresearch.com erwarten, dass dieser Trend sich so fortsetzen wird und sich der B2B Bereich zwischen 2022 und 2027 weiterhin überdurchschnittlich gut entwickeln wird. B2B umfasst den Kauf und Verkauf sowohl von Gütern als auch von Dienstleistungen. Zahlreiche neue Plattformen machen es Unternehmen immer einfacher, ihre Waren oder Leistungen im Internet anzubieten. Ich spreche hier aus eigener Erfahrung.

Einen Online-Shop zu betreiben wird immer einfacher

Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich vor gut zehn Jahren zusammen mit meinem Vater mein erstes Unternehmen, einen Edelmetall Handel gegründet, hatte. Für unseren Onlineshop hatten wir grundsätzlich zwei Möglichkeiten: ein hochprofessionelles Shopsystem wie Magento, welches zum damaligen Zeitpunkt noch einen höheren fünfstelligen Betrag im Monat gekostet hat und somit für junge Startup Unternehmen meistens uninteressant war, oder eine Open-Source Variante wie Prestashop. Prestashop befand sich damals allerdings noch in den Kinderschuhen und es war wirklich eine Wissenschaft, den Shop einzurichten und zum Laufen zu bringen. Ich war froh, gute Grundkenntnisse in der HTML-Programmierung gehabt zu haben, sonst wäre ich wohl damit gescheitert.

Heutzutage sieht die Welt ganz anders aus. Es gibt dutzende seriöser Anbieter für E-Shops und mit nur wenigen Klicks ist ein einfacher und gut funktionierender Online-Shop bereits eingerichtet. Eine ständig wachsende Mittelschicht, vor allem im ostasiatischen Raum, sowie die wachsende Akzeptanz und Verfügbarkeit von Technologie werden sich zudem auch positiv auf den B2C Bereich auswirken. Wir können in den kommenden Jahren mit Millionen von potentiellen, neuen Kunden rechnen.

Dank Finanztransaktionsdienstleistern wie PayPal oder Stripe ist es heutzutage einfacher denn je, im Internet unkompliziert und vor allem mit gutem Gewissen zu bezahlen. Das Thema Käuferschutz spielt hier natürlich eine wesentliche Rolle. War dieser zu Beginn des E-Commerce noch ein reines Glücksspiel, können wir uns heute fast schon zu 100 % darauf verlassen, entweder unsere Ware zu erhalten oder aber unser Geld in irgendeiner Form zurückzubekommen.

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Mögliche Gefahren für die E-Commerce Branche

Covid-19 hat das Online Shopping beschleunigt

Als mögliche Gefahren beziehungsweise negative Einflussfaktoren sehen wir im E-Commerce Bereich zwei Dinge: das Ende der Pandemie sowie die Konkurrenzsituation innerhalb der Branche. Wann wir mit einem definitiven Ende der Pandemie zu rechnen haben und wie sich dieses auf unser Kaufverhalten auswirken wird, ist zum aktuellen Zeitpunkt natürlich unmöglich zu beurteilen. Wir gehen offen gesagt nicht davon aus, dass das Ende der Pandemie zu einem unglaublichen Comeback von Innenstädten und Einkaufscentern führen wird. Der Trend weg vom Einkaufscenter hin zum Online Shopping hat sich bereits vor Covid-19 über viele Jahre deutlich abgezeichnet und wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nach der Pandemie so fortsetzen.

Auf Individualtiät und Entertainment setzen

Die einzige Rettung für Innenstädte und Shopping Malls sehen wir darin, sich auf Individualität und Entertainment zu konzentrieren. Die Leute müssen einen Grund haben, zum Shoppen das Haus zu verlassen. Große Ketten wie H&M, Peek und Cloppenburg oder C&A werden die Leute kaum noch in die Städte locken. Dafür lassen sich deren Produkte viel einfacher online bestellen. Kleine, individuelle und besondere Läden und Boutiquen dürften hier einen deutlich größeren Anreiz ausüben. Doch wollen wir an dieser Stelle nicht zu weit abdriften, die Problematik der Innenstädte und Einkaufszentren ist ein anderes Thema.

Konzentration und Streuung

Die eigentlich größte Gefahr für die E-Commerce Branche sehen wir in der aktuellen Konkurrenzsituation. Hierbei hat der Sektor paradoxerweise sowohl ein Problem mit Konzentration als auch mit Streuung. Was die Konzentration angeht, so dominieren die Unternehmen Amazon in der westlichen Welt und Alibaba in Fernost auf dramatische Weise die gesamte Branche. Amazons Marktanteil in Deutschland liegt laut tooltester.com mittlerweile bei knapp 70 %. Das Unternehmen ist auch weltweit nach wie vor die klare Nummer 1. Alibaba hatte hingegen in den vergangenen Jahren ein prozentual deutlich höheres Umsatzwachstum zu verzeichnen und holt mit ernstzunehmender Geschwindigkeit auf.

Auf der anderen Seite habe ich gerade die Streuung angesprochen. Wie bereits angedeutet, ist der Zugang zur E-Commerce Branche heutzutage unfassbar einfach und für jedermann umsetzbar. Das ist gewissermaßen Fluch und Segen zugleich. Der Branche an sich mag es grundsätzlich zu mehr Wachstum verhelfen, für die Konkurrenz in einzelnen Teilbereichen untereinander ist es allerdings kritisch zu betrachten. Kaum erscheint ein neuer Anbieter mit einem innovativen Produkt am Markt, gibt es nur wenige Tage später dutzende bis hunderte konkurrierender Shops, die ein ähnliches oder sogar noch besseres Produkt anbieten.

Für uns Endkunden ist dieser Konkurrenzdruck natürlich etwas Positives, da er zu immer besseren Preisen und besseren Produkten und Leistungen führt. Junge und kleine Unternehmen haben hier allerdings oftmals Schwierigkeiten, sich am unfassbar stark umkämpften Markt zu etablieren.

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E-Commerce ETFs

Zum Abschluss der Branchenanalyse möchten wir uns wie immer noch anschauen, ob es in Deutschland verfügbare ETFs auf die Branche gibt. Natürlich kannst Du es Dir auch einfach machen, Aktien der Unternehmen Amazon und Alibaba kaufen und hättest somit bereits quasi einen ETF an sich im Depot, denn die beiden Aktien bilden, wie bereits angemerkt, einen Großteil des weltweiten Branchenumsatzes ab.

Tatsächlich haben wir es in Deutschland darüber hinaus leider nur mit einer sehr begrenzten Auswahl an E-Commerce ETFs zu tun. Hier wäre zum einen der L&G E-Commerce Logistics ETF zu nennen. Dieser konzentriert sich jedoch nicht unbedingt auf die Online-Shops an sich, sondern auf die Logistikunternehmen hinter den Shops. Eine Alternative ist der HANetf EMQQ Emerging Markets Internet and E-Commerce ETF. Dieser investiert jedoch ausschließlich in die Emerging Markets, womit große US-Unternehmen wie Amazon oder Walmart leider ausgeklammert werden, was aus unserer Sicht nicht viel Sinn ergibt.

Wirklich nennenswerte Alternativen gibt es leider nur ohne KIID Dokument, diese sind daher in Deutschland aufgrund von EU-Restriktionen für private Trader nicht handelbar. Solltest Du jedoch im Ausland sitzen oder kommerzieller Händler sein, dann wäre der ONLN eine interessante Alternative für Dich. Hierbei handelt es sich um den Online Retail ETF von Pro Shares. Dieser verfügt über ein Fondsvolumen von 470 Millionen US-Dollar und ist somit gut handelbar. Seine größten Positionen hält der ETF in den Vereinigten Staaten. Amazon ist mit 24,5 % Anteil das größte Unternehmen im Fonds, gefolgt von Alibaba mit 11% und eBay mit 5%.